Gedankensplitter – Immer wieder und immer mehr…
Soll ich Ihnen ein Geheimnis verraten, liebe Leserin, lieber Leser? – Schon, so vermute ich, habe ich Ihr Interesse, Ihre Neugier geweckt: Was weiss ich wohl, was Sie nicht wissen… Was kann ich Ihnen verraten, was andere offenbar geheim halten wollen… Leider muss ich Sie aber enttäuschen: Das Geheimnis, von dem ich hier schreibe, kann ich Ihnen aus verschiedenen Gründen nämlich gar nicht verraten – es handelt sich um das «mysterium fidei», das Geheimnis des Glaubens.
Wenn der Priester in der Eucharistiefeier nach den Wandlungsworten der Gemeinde zuruft: «Geheimnis des Glaubens!», antworten wir ganz selbstverständlich: «Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.» Damit enthüllen wir aber nicht, wie man aufs erste Zuhören meinen könnte, das «Geheimnis» unseres Glaubens – Aussenstehende und Uneingeweihte können ja mit den Worten dieser Akklamation, dieses «zustimmenden Zurufs» wenig bis gar nichts anfangen… Vielmehr ruft sich die Gottesdienstgemeinde selber in Erinnerung, dass wir in der Feier der Eucharistie mit dem «Geheimnis des Glaubens» in Berührung kommen: Tod und Auferstehung Jesu Christi werden durch die Feier des Sakraments gegenwärtig, wir «haben Anteil daran», wir werden mit in dieses Geschehen hineingenommen.
Hier ist nicht der Ort, um dieses wunderbare und heilsame Geschehen theologisch vertieft zu erörtern. Umso mehr möchte ich uns alle – auch aus Anlass des Fronleichnamsfests – einladen und ermutigen, das «Geheimnis des Glaubens» immer wieder und immer mehr zu ergründen, zu betrachten, zu meditieren. Dabei müssen wir stets bedenken, dass es sich bei diesem Geheimnis nicht um eine Art Geheimwissen handelt, das uns irgendwann vollständig enthüllt oder in das wir schliesslich voll und ganz «eingeweiht» werden könnten.
Das Geheimnis des Glaubens ist vielmehr ein «Mysterium», ein Geheimnis, dem wir uns ein ganzes Glaubensleben lang nur annähern, in das wir nur immer wieder und immer mehr «eintauchen», uns immer wieder und immer mehr «hineinglauben» können – gerade auch in der Feier der Eucharistie. Aber auch durch unsere Beschäftigung mit den Texten der Bibel, unser persönliches und gemeinschaftliches Gebet, unser kreatives und mutiges «Leben aus dem Glauben», unser engagiertes Mitgestalten von Kirche und Welt und vieles mehr…
Gut also, dass ich Ihnen dieses Geheimnis nicht «verraten» kann, da ich selber nicht mehr weiss als Sie, nicht über ein «Geheimwissen» verfüge, das ich Ihnen enthüllen könnte. Aber vielleicht habe ich Ihr Interesse, Ihre Neugier ja dennoch geweckt – das höchst dynamische und lebendige «Geheimnis des Glaubens» selber zu entdecken, immer wieder und immer mehr!
Boris Schlüssel, Kaplan